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FAMILIE IM WANDEL: FAMILIENBILDER IN DER DEUTSCHEN GESCHICHTE

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Per­sön­li­che Anmer­kun­gen vor­weg: Mei­nen ers­ten wis­sen­schaft­li­chen Vor­trag habe ich 1971 gehal­ten zum nach wie vor aktu­el­len und immer wie­der  emo­tio­na­li­sie­ren­den The­ma „Hat die Fami­lie noch  Zukunft?“. Die Ant­wort in Kür­ze heißt auch heu­te noch: „Ja, aber sie wird sich ändern (müs­sen)“! Im Lau­fe mei­ner indi­vi­du­el­len Bio­gra­phie habe ich allein in Kind­heit und Jugend bis zum Stu­di­um in min­des­tens 7 unter­schied­li­chen Fami­li­en­for­men gelebt (vgl. oben „Lie­be Lese­rin­nen …“). Nach wie vor gibt es in unse­rer und ähn­li­chen west­li­chen Gesell­schaf­ten aber die „Norm­fa­mi­lie“: Vater-Mutter-Kind(er).

Aus­gangs­the­se: Die (sozial-)pädagogische Arbeit mit Erwach­se­nen (Eltern bzw. Men­schen mit Fami­li­en­hin­ter­grund) wird mit­be­stimmt durch die Bil­der der Fach­kräf­te über Familie(n) heu­te. Die­se Vor­stel­lun­gen unter­lie­gen einem stän­di­gen Wan­del, gesamt­ge­sell­schaft­lich sowie in der Bewer­tung durch den ein­zel­nen Pro­fes­sio­nel­len. Vor­aus­set­zung für qua­li­fi­zier­te päd­ago­gi­sche Arbeit und den päd­ago­gi­schen Umgang mit Fami­li­en­fra­gen und ‑pro­ble­men ist eine reflek­tier­te Klar­heit der Fach­kraft über ihre eige­nen Fami­li­en-Bil­der und ist die Fähig­keit, die­se in ein Ver­hält­nis zu denen ande­rer (in der Gesell­schaft, im Berufs­le­ben und in der Sozi­al­ge­schich­te) zu stel­len. Es lohnt sich also, sich inten­siv und kri­tisch mit Bil­dern und Auf­fas­sun­gen von „Familie(n)“ zu befas­sen. Wenn man sich dem kom­ple­xen und immer auch ideo­lo­gie­ver­däch­ti­gen The­ma (jede/r hat eige­ne fami­liä­re Erfah­run­gen und „Gewiss­hei­ten“) „Familie(nbilder)“ zuwen­det, tan­giert dies ver­wand­te oder angren­zen­de The­men: Das Ver­hält­nis von „Fami­lie und Staat/Politik“, „Ehe“, „Fami­li­en­wunsch und ‑glück“, „Eltern­schaft“, „Stel­lung und Rech­te der Kin­der“ (vgl. UN-Kin­der­rechts-Kon­ven­ti­on), „Fami­li­en­for­men“, „Defi­ni­tio­nen von Fami­lie“ oder auch (nicht-ehe­li­che) „Lebens­ge­mein­schaf­ten“, die „Stel­lung der Frau“ (in Fami­lie und Beruf sowie Gesell­schaft) und „mul­ti­kul­tu­rel­le Fami­li­en“, Homo- und Misch­ehen usw.

The­sen zur Ein­stim­mung in das The­ma
(Jede The­se bit­te in Ruhe lesen und sacken las­sen)

▪ „Familie(n)“ ist ein hoch­gra­dig emo­tio­na­les und daher sen­si­bles The­ma, das auch poli­tisch-ideo­lo­gisch besetzt ist und in der Regel kon­tro­vers dis­ku­tiert wird;
▪ Nahe­zu jede/r stammt aus einer (Herkunfts-)Familie und/ oder lebt selbst in fami­li­en­ähn­li­chen Ver­hält­nis­sen (Eigen­fa­mi­lie);
▪ Von daher hat auch jede/r bestimm­te bio­gra­phi­sche Erfah­run­gen durch oder mit Fami­lie und spe­zi­fi­sche Asso­zia­tio­nen, (Vor-)Urteile und Mei­nun­gen, wenn es um (ver­schie­de­ne For­men von) „Familie(n)“ geht.
▪ „Fami­li­en­bil­der“ sind, sozio­lo­gisch-kon­struk­ti­vis­tisch betrach­tet, jene (künst­lich-all­tags­theo­re­ti­schen) Kon­struk­te, die sich Men-
schen kraft bio­gra­phi­scher Erfah­run­gen (Sozia­li­sa­ti­on), Wis­sen (Aus-Bil­dung) und aktu­el­ler media­ler Infor­ma­tio­nen und Dis­kur­se von „Fami­lie“ machen;
▪ „Fami­li­en­bil­der“ als Kon­struk­te über „Familie(n)“ haben von daher nicht unbe­dingt etwas mit der Rea­li­tät von „Familie“(nformen) zu tun.
▪ „Fami­lie“ ist nor­ma­tiv besetzt (vgl. oben), d.h. diver­se Fami­li­en­for­men wer­den ethisch-mora­lisch bewer­tet – für gut oder schlecht gehal­ten (z.B. Homo­ehe), vor allem in Bezug auf die Kin­der, d.h. Erzie­hung und Bil­dung;
▪ Von daher wer­den auch „Fami­li­en­rol­len“ (Vater, Mut­ter, Sohn, Toch­ter, Opa und Oma) und ihre kon­kre­te Aus­for­mung kon­tro­vers gese­hen und ideo­lo­gisch bewer­tet (vgl. „Raben­mut­ter“);
▪ „Fami­lie“ gibt es nur im Plu­ral – Fami­li­en, Fami­li­en­for­men, „Fami­li­en­bil­der“. Die Fami­li­en­wirk­lich­keit ist plu­ra­lis­tisch und wird auch plu­ra­lis­tisch kon­stru­iert.
▪ Es gibt aktu­ell viel­fäl­ti­ge For­men und etli­che Defi­ni­tio­nen von „Fami­lie“ (bio­lo­gisch, recht­lich, psy­cho­lo­gisch, sozio­lo­gisch, inter­dis­zi­pli­när)

Ver­such einer all­ge­mei­nen ideo­lo­gie­frei­en Defi­ni­ti­on für die sozi­al­päd­ago­gi­sche Pra­xis:

„Fami­lie ist das Zusam­men­le­ben von min­des­tens 2 Gene­ra­tio­nen in einem Haus­halt, in dem ein Erzie­hungs- und/ oder Betreu­ungs­ver­hält­nis besteht“

Oder ein­fach:

„Fami­lie ist, wo Kin­der sind”

„Fami­li­en­bil­der“ im Lau­fe der jün­ge­ren Geschich­te

Ange­sichts des Wan­dels der Fami­li­en­for­men und Fami­li­en­bil­der stellt sich die Fra­ge: Was kommt nach dem Rück­gang der Norm- Fami­lie? Ant­wort: Ver­schie­de­ne Familienformen.Mittlerweile exis­tie­ren z.B. Patch­work- bzw. Stief­fa­mi­li­en, Paa­re ohne Kin­der, alter­na­ti­ve Groß-Fami­li­en, Fern- oder Wochen­end­be­zie­hun­gen, „Regen­bo­gen­fa­mi­li­en“, bikul­tu­rel­le Fami­li­en, Lebens­ab­schnitts­be­zie­hun­gen usw. Die­se Plu­ra­li­tät führt zu Fra­gen: Wel­che Rol­le spie­len im Fami­li­en­kon­text heu­te noch Tra­di­ti­on, Regeln, Regi­on, Kon­fes­si­on usw.? Wel­che Rol­le spie­len Indi­vi­dua­li­sie­rung und Ent-Tra­di­tio­na­li­sie­rung, das Ver­hält­nis der Gene­ra­tio­nen und Geschlech­ter sowie die Ten­denz „Kind als Pro­jekt“ (Ver­such der Selbst­ver­wirk­li­chung der Eltern über das Kind, „the pre­sen­ta­ble child“)?

Als Fak­ten kön­nen ten­den­zi­ell kon­sta­tiert wer­den:

▪ Ca. 50 % der Ehen wer­den inner­halb der ers­ten 7 Jah­re geschie­den;
▪ Etwa 3 von 10 Kin­dern erle­ben bis zum 18. Lebens­jahr eine „Patch­work-Fami­lie“ (Eltern­teil hat neu­en Part­ner);
▪ Die „psy­chi­sche Sta­bi­li­tät“ oder der „Schul­erfolg“ von Kin­dern hän­gen nicht pri­mär von der Fami­li­en­form ab (z.B. allein­er­zie­hend, Patch­work-Fami­lie), son­dern von Fak­to­ren wie fami­liä­re Umwelt/ Milieu, Bil­dung der Eltern und Kapi­tal­haus­halt der Fami­lie).
▪ Alter­na­ti­ve Lebens­for­men wer­den immer noch an der Norm­fa­mi­lie (herr­schen­des nor­ma­ti­ves Leit­bild) gemes­sen und ent­spre­chend stig­ma­ti­siert.
▪ Der Stel­len­wert der Fami­lie im Lebens­ent­wurf von Men­schen hat sich im Lau­fe der letz­ten Jahr­zehn­te ver­än­dert. Die Hei­rats- und Gebur­ten­zif­fern sind rück­läu­fig und die Insta­bi­li­tät von Ehen hat zuge­nom­men. 

▪ Gegen­wär­tig vor­herr­schen­de Familien(leit)bilder sind über­wie­gend an dem „gol­den age of mar­ria­ge“, dem Ehe- und Familien(zyklus)-Modell der 50er und 60er Jah­re in der BRD ori­en­tiert.
▪ Das „Hin und Her zwi­schen ver­schie­de­nen Lebens­for­men hat bei jun­gen Erwach­se­nen zuge­nom­men“; „Nor­mal­bio­gra­phie“ und tra­di­tio­nel­ler „Fami­li­en­zy­klus“ haben abge­nom­men.
▪ In Ost­deutsch­land ist die nicht­ehe­li­che Fami­li­en­grün­dung zum (neu­en) „Nor­mal­fall“ (aber nicht posi­tiv nor­miert) gewor­den. Ehe ist nicht mehr Vor­aus­set­zung für Eltern­schaft, und Eltern­schaft ist immer weni­ger ein Anlass zur Hei­rat.
▪ Immer noch exis­tie­ren gra­vie­ren­de Ost-West-Unter­schie­de (z.B. Anzahl ehe­li­cher Gebur­ten, Rol­le der Frau, Beruf und Fami­lie, Arbeits­lo­sig­keit, Ein­kom­men usw.)?!
▪ Der „Wunsch nach Fami­lie“ ist bei jun­gen Men­schen nach wie vor sehr groß (vgl. Shell-Stu­di­en), aber: „Die stei­gen­de Kin­der­lo­sig­keit in Deutsch­land ist … kein Indi­ka­tor für die Ableh­nung einer Fami­li­en­grün­dung, son­dern für die immer noch hohe Akzep­tanz des bür­ger­li­chen Fami­li­en­ide­als bei gleich­zei­tig star­ker Berufs­ori­en­tie­rung der Frau­en und feh­len­den Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen für die Betreu­ung von Kin­dern“.
▪ Ca. 80 % wün­schen sich Kin­der! Am häu­figs­ten kommt die „Zwei-Kind-Fami­lie“ (als Wunsch und auch Rea­li­tät) vor; ca. 25 % der Frau­en blei­ben kin­der­los; dies nimmt mit aka­de­mi­scher Bil­dung zu. Etwa 45 % der jun­gen Erwach­se­nen hat kein oder nur 1 Kind (vgl. 1900: 45 % etwa hat­ten 4 und mehr Kin­der!); die durch­schnitt­li­che Kin­der­zahl in Deutsch­land ist 1,4 Kin­der pro Paar; nur ca. 5 % haben 4 oder mehr Kin­der. Das Alter bei der Fami­li­en­grün­dung (Geburt des ers­ten Kin­des) wird hin­aus­ge­scho­ben und ist stark ange­stie­gen (vgl. DDR frü­her und Ost­deutsch­land heu­te).
▪ Nach wie vor gibt es aber auch (trotz Pil­le und Abbruch­mög­lich­kei­ten) frü­he Mut­ter­schaf­ten (Kin­der als Müt­ter) bzw. „Flucht in die Mut­ter­schaft“ und immer häu­fi­ger „spä­te Mut­ter­schaft“ (35 Jah­re und älter und nach der aka­de­mi­schen Berufs­kar­rie­re – „Tor­schluss­pa­nik“).
▪ Das Leben mit Kin­dern sowie deren Aus­bil­dung kos­ten Zeit und Geld.

Ein his­to­ri­scher Blick auf Familie(n)
His­to­risch betrach­tet fin­den sich ver­schie­de­ne Pha­sen von (vor­herr­schen­den) Familie(nformen) und so auch Familien(leit)bildern:

▪ Die tra­di­tio­nel­le, vor­in­dus­tri­el­le „Fami­lie“ in Agrar­ge­sell­schaf­ten (bis ca. 1840/50): das „gan­ze Haus“ mit einem Groß-Fami­li­en-Vor­stand (pater fami­li­as), Land­wirt­schaft als Lebens­grund­la­ge, etli­che Funk­tio­nen der Fami­lie, Gesin­de und Kin­der als Arbeits­kräf­te, öko­no­misch moti­vier­te Part­ner­wahl und Fami­li­en­grün­dung

▪ Moder­ne, indus­tri­el­le Gesell­schaft (ca. 1850 – 1960/70): Zuneh­men­de Tren­nung von Wohn- und Arbeitsplatz/ Fabrik, Ver­än­de­rung des Fami­li­en­bil­des – die „bür­ger­li­che Klein­fa­mi­lie“ wird zum Modell der Norm(al)familie, Zunah­me der Pri­va­ti­sie­rung und Emo­tio­na­li­sie­rung (Lie­be als ‚con­di­tio sine qua non‘ für die Hei­rat), Pola­ri­sie­rung der Geschlech­ter­rol­len („Der Mann zieht hin­aus ins feind­li­che Leben …“, Urba­ni­sie­rung, Miet­woh­nung wird vor­herr­schen­de Wohn­form in den Städ­ten. 

▪ Post­mo­der­ne Gesell­schaft (Gegen­wart seit ca. 1970 als Risiko‑, Erlebnis‑, Wis­sens- und Dienst­leis­tungs- oder Medien‑, Konsum‑, Ein­wan­de­rungs- und Frei­zeit­ge­sell­schaft usw.): Neue Fami­li­en­for­men ent­ste­hen und die Hete­ro­ge­ni­tät
von Fami­lie nimmt zu; fer­ner: Media­ti­sie­rung von Fami­lie und Kind­heit, Rück­gang der Gebur­ten­zah­len, Zunah­me von Ehe­schei­dun­gen, Wan­del der Frau­en­rol­le (als Bil­dungs­sie­ge­rin, aber immer noch Berufs­ver­lie­re­rin) vor dem Hin­ter­grund von gesell­schaft­li­cher Media­ti­sie­rung („Wirk­lich­keit aus zwei­ter Hand“), Indi­vi­dua­li­sie­rung (Ver­ein­ze­lung) und Plu­ra­li­sie­rung (Viel­falt).

 

Exkurs: Familie(nleit)bilder im Fern­se­hen 

Unse­re Kon­struk­ti­on der gesell­schaft­li­chen Wirk­lich­keit wird immer mehr vom Fern­se­hen, deren Nach­rich­ten, Talk-Shows, Fil­me, Soaps und (Vorabend)Serien bestimmt. Nach wie vor gibt es weni­ge Stu­di­en über Fami­li­en­bil­der in TV-Seri­en (die sich ja gro­ßer Beliebt­heit erfreu­en). Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass die dort ver­brei­te­ten Fami­li­en­bil­der und auch Geschlech­ter­rol­len das Bür­ger­be­wusst­sein der auf­wach­sen­den Gene­ra­ti­on und ihrer Eltern nicht unbe­rührt las­sen. Gemäß einer Stu­die des Grim­me Insti­tuts las­sen sich fol­gen­de Ten­den­zen ver­all­ge­mei­nern:

▪ Fami­li­en­po­li­ti­sche The­men wie Gebur­ten­ra­ten, demo­gra­phi­sche Ent­wick­lung, Pro­ble­me von Schu­le und Kin­der­gar­ten, Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, unglei­che Bil­dungs­chan­cen etc., kom­men kaum zur Spra­che;
▪ Fami­li­en mit klei­nen Kin­dern kom­men kaum vor, eher allein­er­zie­hen­de Väter mit jugend­li­chen Kin­dern oder „mul­ti-tas­king-begab­te“ Müt­ter – zumeist aber kin­der­lo­se Prot­ago­nis­ten;
▪ Es domi­niert die wohl­si­tu­ier­te Mit­tel­schicht­fa­mi­lie, die kei­ne exis­ten­ti­el­len Sor­gen kennt – die „sozia­le Fra­ge“ bleibt mar­gi­nal;
▪ Das The­ma „Familie(n)“ wird im öffent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen ent­po­li­ti­siert, im pri­va­ten Fern­se­hen dage­gen eher nega­tiv (Pro­blem­fa­mi­li­en) typi­siert;
▪ Kin­der wer­den sel­ten als Belas­tung und Pro­blem (Kos­ten­fak­tor), eher als emo­tio­na­le Berei­che­rung in bür­ger­li­chen Fami­li­en dar­ge­stellt (in der Regel Ein­zel­kind);
▪ Fami­li­en wer­den meist kli­schee­haft und ein­sei­tig (milieu­spe­zi­fisch) dar­ge­stellt – die Wirk­lich­keit ist viel­fäl­ti­ger und hete­ro­gen (vgl. oben);
▪ „Im Fern­se­hen gibt es mehr als dop­pelt so vie­le Sin­gles und drei­mal so vie­le Allein­er­zie­hen­de wie im wah­ren Leben. Dafür gibt es in der Rea­li­tät fast sie­ben­mal so vie­le Ehen mit Kin­dern wie in der Film­welt“;
▪ „Es sind kei­ne Haus­frau­en zu sehen … in den Medi­en erschei­nen kei­ne Haus­män­ner … und es gibt kei­ne Unge­lern­ten im Fern­se­hen“.

Es scheint, als regie­re im Fern­se­hen das „Pip­pi-Lang­strumpf-Syn­drom“: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Das Leit­bild der bür­ger­li­chen (Klein-)Familie (klas­si­sche Rol­len­tren­nung zwi­schen Mann und Frau: Auto­ri­tät, Arbeit, Ver­dienst auf der einen Sei­te, KKK = Kin­der, Küche, Kir­che auf der ande­ren Sei­te) brö­ckelt (in der DDR schon frü­her – nun aber ‚roll-back‘?), steckt aber fest ver­an­kert im Bür­ger­be­wusst­sein, in der kon­ser­va­ti­ven „Mit­te der Gesell­schaft“ (vgl. das Frau­en­bild kon­ser­va­tiv-natio­na­ler Par­tei­en wie CDU/CSU oder AfD oder auch der Kir­chen oder bei Mos­lems in Deutsch­land). Beim Fami­li­en­bild soll­te bei Debat­ten dem Aspekt der Inter­sek­tio­na­li­tät Beach­tung geschenkt wer­den, d.h. auf eine not­wen­di­ge Dif­fe­ren­zie­rung nach Geschlecht, Alter/ Gene­ra­ti­on, Schicht/ Milieu, Bil­dung, Eth­nie, Regi­on, Kon­fes­si­on, Ost-West, Ideologie/ Par­tei­ori­en­tie­rung geach­tet wer­den.

Fami­li­en­so­zio­lo­gi­sche Kon­tro­ver­sen
▪ Gibt es, his­to­risch betrach­tet, einen „Funk­ti­ons­ver­lust“, einen „Funk­ti­ons­wan­del“ oder eher eine „Funk­ti­ons­ver­la­ge­rung“ der Fami­lie – hin zur Haupt­funk­ti­on der „Sozia­li­sa­ti­on“ (Auf­wach­sen, Erzie­hung und Bil­dung der Kin­der)?
▪ Führt die zuneh­men­de Emo­tio­na­li­sie­rung in der Paar­be­zie­hung (Lie­be als ‚con­di­tio sine qua non für die Ehe‘) und in der Fami­lie (Ort der Gebor­gen­heit und des Ver­trau­ens, Refu­gi­um) zu den höhe­ren Tren­nungs- bzw. Schei­dungs­ra­ten, da das Anspruchs­ni­veau mit Blick auf Familie(nglück) gewach­sen ist?
▪ Inwie­weit beein­flusst der rea­le Wan­del der Fami­li­en­for­men (Viel­falt bzw. feh­len­de Nor­ma­li­tät, Geburts‑, Ehe- und Schei­dungs­ra­ten etc.) auch die Familien(leit)bilder oder sind die­se resis­tent gegen­über Wan­del?
▪ Inwie­weit beein­flus­sen „Fami­li­en­bil­der“ in den Medi­en (Fern­se­hen etc.: soap operas, Fami­li­en­se­ri­en, Vor­abend­pro­gramm) die Kon­struk­ti­on der Familien(leit)bilder der Men­schen in unse­rer Medi­en­ge­sell­schaft?
▪ Bei all den Debat­ten um Familie(n) und Familien(leit)bilder gerät all­zu oft der Blick auf Männer/ Väter(leit)bilder in den Hin­ter­grund. „Fami­lie“ wird immer noch ten­den­zi­ell mit Frauen/ Müt­tern asso­zi­iert – wo blei­ben die Männer/ Väter?
▪ Inwie­weit tref­fen die klas­si­schen The­sen der Fami­li­en­so­zio­lo­gie noch zu: Fami­li­en ten­die­ren zur Des-Inte­gra­ti­on (Rück­zugs­ort, gesell­schaft­li­che Iso­lie­rung, zuneh­men­de Pri­va­ti­sie­rung des All­tags) und Des-Orga­ni­sa­ti­on (zuneh­men­de Schei­dun­gen) sowie
wach­sen­der Funk­ti­ons­ver­lust (Abga­be ursprüng­li­cher Funk­tio­nen an gesell­schaft­li­che Insti­tu­tio­nen wie Kir­che, Staat, Ver­si­che­run­gen, Wirt­schaft usw.)? 

▪ Geht auch die fami­liä­re Rest(Haupt)funktion, die der Sozia­li­sa­ti­on, mehr und mehr zuguns­ten staat­li­cher Insti­tu­tio­nen (KiTa, Schu­le, Jugend­ar­beit) sowie moder­ner Medi­en (Fern­se­hen, Inter­net und social media) und mit zuneh­men­dem Alter der Kin­der gegen­über der Macht der peer groups ten­den­zi­ell ver­lo­ren (vgl. „Das Ende der Erzie­hung“)?

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