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GRUNDSATZARTIKEL:

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POLITISCHE BILDUNG

VON HARTMUT M.  GRIESE

Poli­ti­sche Bil­dung (pB) als Spe­zi­al- oder Teil­dis­zi­plin von „Bil­dung“ hat ihre Stand­bei­ne bzw. wis­sen­schaft­li­chen Ori­en­tie­run­gen in der Poli­tik­wis­sen­schaft, in der Geschichts­wis­sen­schaft und in der Päd­ago­gik. Von daher ist sie bestrebt, poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Zusam­men­hän­ge im Lau­fe der Geschich­te und mit Wir­kung auf die Gegen­wart von Gesell­schaf­ten und des inter­na­tio­na­len Gesche­hens zu erken­nen und zu ana­ly­sie­ren, um bei den Adres­sa­ten aller Alters­grup­pen (Schü­ler, Jugend­li­che, Erwach­se­ne) Kri­tik­fä­hig­keit auf der Basis von Wis­sen und Kennt­nis­sen (kogni­ti­ver Aspekt) sowie Tole­ranz und Respekt (emo­tio­nal-mora­li­scher Aspekt) gegen­über Mit­men­schen zu ver­mit­teln und zu stär­ken mit dem Ziel, zivil­ge­sell­schaft­li­ches Enga­ge­ment, sozia­le Teil­ha­be und demo­kra­ti­sche poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on zu för­dern. Ihre Haupt­auf­ga­ben­fel­der und The­men sind „Krieg und Frie­den“, „Umwelt und Natur“, (neue) Medi­en, Men­schen­rech­te, „Gen­der“ und sozia­le Ungleichheiten/Ungerechtigkeiten. PB geschieht in zumeist didak­tisch orga­ni­sier­ten Bil­dungs­pro­zes­sen (in Schu­len, Jugend­ar­beit und Erwach­se­nen­bil­dung), aber auch infor­mell im All­tag durch Erfah­run­gen, Medi­en­kon­sum und Dis­kus­sio­nen mit Mit­men­schen. Letz­te­res nennt man „poli­ti­sche Sozia­li­sa­ti­on“. Inter­na­tio­nal spricht man bei poli­ti­scher Bil­dung von „civic edu­ca­ti­on“ oder „citi­zen­ship edu­ca­ti­on“. Vom Selbst­ver­ständ­nis her kann man nur in Demo­kra­tien von poli­ti­scher Bil­dung spre­chen.

In der Lehrer*innenausbildung bzw. in den Schu­len heißt das betref­fen­de Schul­fach äußerst unter­schied­lich (eben­so spricht man an Hoch­schu­len von Poli­tik­wis­sen­schaft, Poli­to­lo­gie, oder Poli­tik als Stu­di­en­fach): Poli­tik, Sozi­al­kun­de, Gemein­schafts­kun­de, Staats­bür­ger­kun­de, Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, Poli­ti­sche Bil­dung. Es herrscht also viel Ver­wor­ren­heit in die­sem Bereich. Unklar bzw. umstrit­ten ist nach wie vor, wel­cher Begriff von „Poli­tik“ zugrun­de gelegt wer­den soll: ein enger oder ein wei­ter Poli­tik­be­griff – eng bezo­gen auf die par­tei­en- oder regie­rungs­be­zo­ge Poli­tik – oder weit im Sin­ne von auch „Das Pri­va­te ist poli­tisch“ und es gibt kei­ne poli­tik­frei­en Berei­che in der (Welt-)Gesellschaft.

PB hat immer eine kogni­ti­ve Kom­po­nen­te (Wis­sen und Er-Kennt­nis­se ver­mit­teln), eine emo­tio­na­le (Moral, Respekt, Iden­ti­fi­ka­tio­nen), eine Hand­lungs­aus­rich­tung (Kom­pe­ten­zen, Selbst-Refle­xio­nen stär­ken) sowie die nor­ma­ti­ve Ziel­per­spek­ti­ve „mün­di­ger Staats­bür­ger“. Bei genaue­rem Hin­se­hen ent­puppt sich die­ses Kon­glo­me­rat als Balan­ce­akt, denn his­to­risch begann pB als ein „ideo­lo­gi­sches Fach“, als Herr­schafts­le­gi­ti­ma­ti­on (z.B. Staats­bür­ger­kun­de im Kai­ser­reich) oder als „Mis­si­on“ und Gesell­schafts­ver­än­de­rung im Sin­ne der Beein­flus­sung und Mani­pu­la­ti­on der Mas­sen (z.B. im Hit­ler­fa­schis­mus oder ande­ren auto­ri­tä­ren Staa­ten). In der Neu­zeit bzw. Gegen­wart kommt ein „Drit­tes Grund­mus­ter“ dazu: „Erzie­hung zur Frei­heit“, „Refle­xi­on und Mün­dig­keit“ (vgl. oben). Die Ver­gan­gen­heit lebt aber zumin­dest latent in der Gegen­wart – je nach ideo­lo­gi­scher Aus­rich­tung der Trä­ger – wei­ter. So kann man z.B. fol­gen­de welt­an­schau­li­che Ten­den­zen in der pB kon­sta­tie­ren: eine kon­ser­va­ti­ve (Tra­di­ti­on, Ord­nung, Staats­au­tori­tät ver­mit­teln durch Insti­tu­tio­nen­kun­de, Beto­nung von Rechts­prin­zi­pi­en, Gemein­sinn, Hei­mat­ge­fühl); eine libe­ra­le Aus­rich­tung (Frei­heits­ge­dan­ke, Indi­vi­dua­lis­mus, Ver­ant­wor­tung und Men­schen­rech­te sind im Fokus); die sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Posi­ti­on (Viel­falt, Kri­tik­fä­hig­keit, poli­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on, Ver­tei­di­gung demo­kra­ti­scher Grund­rech­te); eine links-mar­xis­ti­sche Ori­en­tie­rung (Eman­zi­pa­ti­on als Abbau von Herr­schaft, Ideo­lo­gie­kri­tik, Soli­da­ri­tät mit den Schwa­chen, Gesell­schafts­kri­tik).

Zum The­men­feld pB in Deutsch­land gehört auch die Nach­kriegs­zeit, in der im Auf­trag der Alli­ier­ten über Kon­zep­te wie Ent­na­zi­fi­zie­rung, Re-Edu­ca­ti­on und demo­kra­ti­sche Erzie­hung das bür­ger­li­che Bewusst­sein demo­kra­ti­siert und ent­spre­chen­de Ver­hal­tens­wei­sen und Ein­stel­lun­gen durch spe­zi­el­le Pro­gram­me und Akti­vi­tä­ten geför­dert wer­den soll­ten. Inhalt­lich ging es um die „Auf­ar­bei­tung der NS-Ver­gan­gen­heit“ und des Anti-Semi­tis­mus. Von daher wur­de auch das Schul­fach „Sozi­al­kun­de“ oder „Gemein­schafts­kun­de“ (vgl. oben) ein­ge­führt und ent­spre­chen­de Lehrer*innen in pB und deren Didak­tik aus­ge­bil­det. Dies begüns­tig­te auch das Auf­kom­men und die Eta­blie­rung einer neu­en Wis­sen­schafts­rich­tung „Poli­ti­sche Bil­dung“ oder Erwach­se­nen­bil­dung (ers­te Pro­fes­sur 1969) an deut­schen Hoch­schu­len und beför­der­te eine spe­zi­el­le Poli­tik­di­dak­tik.

Nach län­ge­ren Debat­ten gelang­ten ein­fluss­rei­che Poli­tik­di­dak­ti­ker bei der Dis­kus­si­on um Zie­le und Grund­prin­zi­pi­en der pB 1976 zu einem Kom­pro­miss, dem „Beu­tels­ba­cher Kon­sens“. Die­ser legt Grund­sät­ze und Basis­re­geln für die pB fest und bezieht sich in Kür­ze auf

a) Das „Über­wäl­ti­gungs­ver­bot“ (auch „Indok­tri­na­ti­ons­ver­bot“), was bedeu­ten soll, dass Dozent*innen (Lehrer*innen) ihre per­sön­li­chen poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Mei­nun­gen und Ein­stel­lun­gen nicht den Ler­nen­den (Schü­lern) über­stül­pen bzw. auf­drän­gen dür­fen, son­dern hel­fen, eine eige­ne Mei­nung zu ent­wi­ckeln;

b) Das „Kon­tro­ver­si­täts­ge­bot“ (Gegen­sätz­lich­keit), d.h.: Alle The­men und Inhal­te müs­sen – wie es auch öffent­lich-medi­al in einer plu­ra­lis­ti­schen Gesell­schaft üblich ist – kon­tro­vers bzw. aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven dis­ku­tiert wer­den, so dass eine freie Mei­nungs­bil­dung mög­lich wird;

c) PB muss die Men­schen (Teilnehmer*innen, Schüler*innen) in die Lage ver­set­zen, die gesell­schaft­li­che Situa­ti­on und die eige­ne Posi­ti­on ange­mes­sen und selbst-kri­tisch zu ana­ly­sie­ren, um sich selbst in der Gesell­schaft ver­or­ten und kom­pe­tent han­deln zu kön­nen. Dabei soll „nach Mit­teln und Wegen gesucht wer­den, die vor­ge­fun­de­ne poli­ti­sche Lage im Sin­ne sei­ner Inter­es­sen zu beein­flus­sen“.

Durch die Deut­sche Ein­heit kamen neue Her­aus­for­de­run­gen bzw. The­men und Inhal­te auf die pB zu, da in der DDR ein ande­res Ver­ständ­nis und eine ande­re Pra­xis von pB vor­herrsch­te (vgl. oben „ideo­lo­gi­sches Fach“ und „Staats­bür­ger­kun­de“) und mas­si­ve Vor­be­hal­te von päd­ago­gisch Täti­gen gegen­über Maß­nah­men zur pB oder zur Lehrer*innen-Fortbildung in Sozi­al­kun­de oder pB in den neu­en Bun­des­län­dern vor­la­gen. In ande­ren Wor­ten: Man woll­te nicht wie­der ideo­lo­gisch infil­triert bzw. mani­pu­liert und nun umge­polt wer­den, wenn „der Kapi­ta­lis­mus im Gewand der Demo­kra­tie und der Moder­ni­sie­rung“ bzw. die „Erzie­hung zur Markt­wirt­schaft“ neue Staats­rä­son wer­den soll­te. Die­se Grund­pro­ble­me ver­fol­gen die pB bis heu­te: Staats­rä­son oder Gesell­schafts­kri­tik? (Schein­ba­re) Neu­tra­li­tät oder (offe­ne) Par­tei­lich­keit? Han­deln oder nur kri­ti­sche Refle­xi­on? Enger oder wei­ter Poli­tik­be­griff?

Ein Bild, das Gras, draußen, Gebäude, Pflanze enthält.  Automatisch generierte BeschreibungIn jün­ge­rer Zeit wur­de der Dis­kurs in der pB durch den PISA-Schock (2000) dahin­ge­hend beein­flusst, dass über Bil­dung all­ge­mein und Bil­dungs­stan­dards, auch in der pB, hef­tig debat­tiert wur­de, was zur Abkehr vom (idea­lis­ti­schen) Bil­dungs­be­griff und zum „Auf­stieg des Kom­pe­tenz­kon­strukts“ führ­te (vgl. letz­ter News­let­ter). Nicht zuletzt der auf­kom­men­de Rechts­ra­di­ka­lis­mus, vor allem im popu­lis­ti­schem Gewand, und die Wahl­er­fol­ge der AfD haben die pB auf­ge­rüt­telt und zu neu­en Debat­ten geführt (z.B. über den ange­mes­se­nen „poli­tisch kor­rek­ten“ Umgang mit Gefüh­len, Tra­di­tio­nen und Ver­schwö­rungs­theo­rien in der pB; sie­he dazu auch unse­re Buch­be­spre­chung). Zuletzt wur­de die pB mit dem Kon­zept einer „Demo­kra­tie­päd­ago­gik“ kon­fron­tiert, das sich stär­ker erzie­hungs­wis­sen­schaft­lich ver­steht und den Fokus auf Demo­kra­tie statt Poli­tik legt. Fun­da­men­ta­le Dif­fe­ren­zen schei­nen bei die­sem Kampf oder Kon­flikt „um des Kai­sers Bart“ nicht vor­zu­le­gen, eher ein „alter Wein in neu­en Schläu­chen“. Des­wei­te­ren hat das Kon­zept BNE (= Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung) den Dis­kurs um pB erwei­tert, da die glo­ba­le Dimen­si­on und die Zukunfts­fra­gen und ‑ängs­te aktu­ell an Bedeu­tung gewin­nen – Kli­ma­ka­ta­stro­phen wie Wald­brän­de, Dür­re, Über­flu­tun­gen, Wir­bel­stür­me, Cyber-Krie­ge, Krieg in der Ukrai­ne, Inter­net­kri­mi­na­li­tät, Digi­ta­li­sie­rung, Pan­de­mien etc.

Wie dif­fus bzw. umstrit­ten der Stel­len­wert und die Zie­le der pB sind, zeigt ein Blick auf die ver­schie­de­nen Bun­des­län­der, die unter­schied­li­chen Bezeich­nun­gen und inhalt­li­chen Schwer­punk­te, ein Selbst­ver­ständ­nis als Quer­schnitts­auf­ga­be oder als eige­nes Fach, mit oder ohne Ver­fas­sungs­rang usw.  Schu­li­sche pB ist immer nor­ma­tiv an der Demo­kra­tie bzw. unse­rem Staats­we­sen ori­en­tiert. Wie sich die­ses Pos­tu­lat mit erwünsch­ter Kri­tik­fä­hig­keit oder dem Zwang zur Noten­ge­bung ver­trägt, bleibt offen. Wahr­schein­lich auch des­we­gen führt die pB in der Schu­le ein Schat­ten­da­sein und beginnt in der Regel erst ab der 7. oder 8. Jahr­gangs­stu­fe, wäh­rend man ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gisch bzw. vom Ler­nen von Wer­ten und Ver­hal­tens­mus­tern her gese­hen viel frü­her anset­zen müss­te. Dage­gen lie­gen in der

„außer­schu­li­schen pB“ ande­re Kri­te­ri­en und Vor­aus­set­zun­gen vor, so dass man eigent­lich von zwei grund­ver­schie­de­nen For­men von pB spre­chen soll­te: Frei­wil­lig­keit, Ein­ma­lig­keit, kei­ne Noten oder Bewer­tun­gen, Frei­zeit­cha­rak­ter etc. an Orten wie Bil­dungs­stät­ten, in Ver­ei­nen, Jugend­zen­tren oder Natur­freun­de­häu­sern auf der einen Sei­te, wo sowohl die Inter­es­sen der Teilnehmer*innen als auch die des Ver­an­stal­ters, die sich oft­mals decken, im Mit­tel­punkt ste­hen (etwa in der par­tei­ge­bun­de­nen oder gewerk­schaft­li­chen Bil­dungs­ar­beit, in der kirch­li­chen Jugend­ar­beit) und schu­li­sche Lern­for­men mit Leis­tungs­ori­en­tie­rung und Bewer­tung, in geschlos­se­nen Räu­men mit vor­ge­ge­be­nen The­men und Inhal­ten.

Zusam­men­fas­send kann noch­mal kon­sta­tiert wer­den: Funk­ti­on der pB soll­te sein, aktu­el­les, poli­ti­sches und his­to­ri­sches Wis­sen und Er-Kennt­nis­se über die (Welt-)Gesellschaft, die Demo­kra­tie und das All­tags­le­ben zu ver­mit­teln, um Men­schen poli­tisch kri­tisch und hand­lungs­kom­pe­tent zu mün­di­gen Bürger*innen zu sozia­li­sie­ren. Grund­la­gen für die poli­ti­sche Gestal­tung und die Lösung gesell­schaft­li­cher Fra­gen und Pro­ble­me sind die all­ge­mei­nen Men­schen­rech­te sowie die Ver­fas­sung, das Grund­ge­setz. „PB heißt, über das Recht auf Mit­spra­che, kri­ti­sches Den­ken, Hin­ter­fra­gen und akti­ves Mit­ge­stal­ten in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen auf­zu­klä­ren und Mög­lich­kei­ten der Betei­li­gung auf­zu­zei­gen“ (BMFSFJ).

Kri­tisch muss ein­ge­wen­det wer­den, dass pB das Pro­blem oder das Pos­tu­lat der Neu­tra­li­tät (vgl. Beu­tels­ba­cher Kon­sens oben) nicht durch­hal­ten kann, da pB immer auch nor­ma­tiv ist

bzw. sein muss. Die nor­ma­ti­ve Unbe­stimmt­heit ermög­licht eine Instru­men­ta­li­sie­rung in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen. Außer­dem hat der Kon­sens immer auch eine ideo­lo­gi­sche Funk­ti­on, die es erlaubt, „Ansprü­che nach Eman­zi­pa­ti­on oder Demo­kra­ti­sie­rung als Über­wäl­ti­gung von Schüler*innen zurück­zu­wei­sen, idem der gesell­schaft­li­che Sta­tus quo (etwa der ein­ge­schränk­ten bür­ger­lich-libe­ra­len Demo­kra­tie) auf­recht­erhal­ten wer­den soll­te“. Deut­lich wird hier, dass pB grund­sätz­lich Pro­ble­me hat mit Objek­ti­vi­tät, Neu­tra­li­tät oder eben Nor­ma­ti­vi­tät, vor allem bei Fra­gen und The­men wie Extre­mis­mus und „Öko-Pax“, zumal es auch wis­sen­schaft­lich kei­ne ein­deu­ti­gen Ant­wor­ten auf aktu­el­le Pro­ble­me und Kon­tro­ver­sen gibt (vgl. Coro­na, Kli­ma­wan­del, gerech­ter Krieg, Ener­gie­kri­se, Infla­ti­on etc. – Mer­ke: „Wahr­heit gibt es nur im Plu­ral“ oder „Wahr­heit ist die Erfin­dung eines Lüg­ners“ oder „Nur, was wir glau­ben, wis­sen wir gewiss“ und: Kein Mensch wird mit einer fes­ten Mei­nung oder Ein­stel­lung gebo­ren – wir wer­den erst zu Men­schen gemacht.

Wie also in Zei­ten der Pola­ri­sie­rung, der neu­en Kul­tur­kämp­fe, der vie­len „Wahr­hei­ten“, gesell­schaft­li­chen Spal­tun­gen und Span­nun­gen, der Unüber­sicht­lich­kei­ten und der Zunah­me von fake-news und alter­na­ti­ven Wahr­hei­ten – vor allem im Inter­net – umge­hen mit dem Beu­tels­ba­cher Kon­sens ange­sichts von Extre­mis­mus und Ver­schwö­rungs­theo­rien? Soll­ten wir nicht eher „rote Lini­en“ dis­ku­tie­ren (bis hier­her und nicht wei­ter) und fest­zur­ren, wo Dis­kus­sio­nen enden (müs­sen) und nur noch der Staats­an­walt wei­ter­hilft? Oder hat jede Mei­nung (auch jeder Unsinn und Lügen) das Recht, gehört und dis­ku­tiert zu wer­den? Und wer ent­schei­det zwi­schen den „Wahr­hei­ten“, zwi­schen „wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis“, Lügen (fake news) und Ver­schwö­rungs­theo­rie, wenn sich die Wissenschaft(en) auch nicht einig sind? Zur plu­ra­lis­ti­schen Gesell­schaft gehört auch ein Wis­sen­schafts­plu­ra­lis­mus. Nur ein auto­kra­tisch-auto­ri­tä­res (Wissenschafts)System kennt die abso­lu­te Wahr­heit. Mitt­ler­wei­le meh­ren sich auch Stim­men, die for­dern, die Neu­tra­li­tät als poli­ti­sche For­de­rung in Bil­dungs­pro­zes­sen ange­sichts einer not­wen­di­gen Extre­mis­mus­prä­ven­ti­on abzu­wei­sen. In ande­ren Wor­ten: Wo demo­kra­ti­sche dis­kur­si­ve Spiel­re­geln ver­letzt wer­den, endet der Plu­ra­lis­mus; vor dem Hin­ter­grund wach­sen­der Ein­fluss­nah­me radi­kal-rech­ter Posi­tio­nen auf die öffent­lich-ideo­lo­gi­schen Debat­ten ist das Pos­tu­lat der Neu­tra­li­tät eine Fehl­vor­stel­lung. Die „rote Linie“ wird ein­deu­tig durch die uni­ver­sel­len Men­schen­rech­te sowie unser Grund­ge­setzt fest­ge­legt.

Anmer­kung: Ein 10-sei­ti­ger Bei­trag des Autors zum The­ma „Außer­schu­li­sche Jugend­bil­dung – was ist das eigent­lich?“ fin­det sich ergän­zend hier­zu im Inter­net.